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Nierenersatz - Dialysebehandlung mit künstlichen Membranen

Nierenersatz - Dialysebehandlung mit künstlichen Membranen

Prof. Dr. Werner Riegel, Klinikum Darmstadt

Menschen mit einem Verlust der Nierenfunktion benötigen eine Nierenersatztherapie. Weltweit sichert die Dialysebehandlung über künstliche Membranen (Hämodialyse) oder über das eigene Bauchfell (Peritonealdialyse) mehr als 1,2 Millionen Patienten das Überleben. Material und Behandlungsbedingungen haben mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht, sodass für die Betroffenen eine sehr gute Lebensqualität sichergestellt werden kann, sofern die Begleiterkrankungen nicht limitierend sind. Das Peritoneum ist zweifelsohne der natürliche Prototyp einer Dialysemembran.







Abbildung: Oberfläche der Innenseite einer Dialysehohlfasermembran generiert auf der Basis molekulardynamischer Simulationen. Große Moleküle (gelb) können die Membran nicht passieren, während kleine Moleküle (blau) durchtreten. Die „molekulare
Oberfläche“ ist entsprechend dem elektrostatischen Potenzial eingefärbt.

Simulation
Dr. Nico Riemann, MOLCAD GmbH

Die Verfahren der Nierenersatztherapie (Dialyse) bedienen sich physikalischer Prozesse: Osmose, Diffusion und Konvektion. Dabei werden Stoffe, die eine Urämie (wörtlich „Harn im Blut“) hervorrufen können, aus dem Blut entfernt. Diese haben Molekülgrößen, die vom kleinmolekularen Bereich (60 Dalton) bis zu größeren Proteinen reichen – den sogenannten Mittelmolekülen von 10.000 bis 30.000 Dalton.

Eine Auswahl der zu entfernenden Stoffe (Urämietoxine) mit niedriger oder mittlerer molarer Masse sind nachfolgend aufgelistet: Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure, hitzestabiles saures Peptid (1.000 bis 2.000 Da) verantwortlich für die Insulinresistenz bei Urämie, Pseudouridin und Hippursäure (Hemmung der Aufnahme der Glucose bei Urämie), Calcitroltoxin (hemmt die Synthese des Calcitriols und bindet spezifisch an den Calcitriolrezeptor und führt zur Calcitrioloresistenz), Cyanat, AGE (Kondensationsprodukte primärer Amine mit Aldosen, setzt Zytokine frei, verstärkt die Koagulation, verantwortlich für die vaskulären Spätkomplikationen), â2-Mikroglobulin (Amyloidose assozi iert), Indoxylsulfat (u. a. für den Juckreiz bei Urämie verantwortlich), Homocystein, Spermin (Hemmer der Erythropoese), Methylguanidin und Guanidinsuccinat (Faktoren der urämischen Polyneuropathie), Stickstoffmonoxid, para-Kresol (Hemmung der Phagozytose der Granulozyten) sowie ein Malnutritionsfaktor.

Historischer Hintergrund

Die Voraussetzungen für unsere heutigen therapeutischen Möglichkeiten wurden innerhalb der letzten 2 Jahrhunderte durch verschiedene Meilensteine verwirklicht. Als Beispiele stehen die Erfindung der semipermeablen Membran durch den Schotten Thomas Graham und die Erstbeschreibung der Quantifizierung des Diffusionsvorganges durch Adolf Fick aus dem Jahre 1855. Georg Haas in Gießen behandelte 1928 sechs Patienten mit der Dialyse. Die Gerinnung des Blutes konnte durch Hirudin gehemmt werden, welches bereits seit 1880 bekannt war. Später wurde Heparin verwendet. Problematisch waren jedoch lange der Gefäßzugang (Glaskanülen) und das Membranmaterial (Collodion).

Erstmalig im Jahre 1945 konnte Willem Korff eine Patientin mit akutem Nierenversagen erfolgreich behandeln. Er verwendete dabei noch die sogenannte Trommelniere. Nils Alwall gelang es 1947 nicht nur Giftstoffe zu entfernen (d. h. Dialyse durchzuführen), sondern auch eine Ultrafiltration zu erreichen. Eine Membran aus Cellophanschläuchen wurde in einem dicht schließenden Zylinder angeordnet, sodass sowohl Überdruck auf der Blutseite als auch Unterdruck auf der Dialysatseite erzeugt wurde.

Das Dialyseverfahren

Das Grundprinzip dieses Verfahrens ist heute noch im Einsatz, wenn auch die Technologie eine andere ist.
Heute wird das Blut des Patienten durch eine Cimino Brescia Fistel, einen PTFE-Loop oder einen Vorhofkatheter (erstmalig beschrieben von dem Darmstädter Oberarzt Demers) bereitgestellt. Die arteriovenöse Fistel (z. B. Cimino Brescia) ist am Unterarm angelegt. Das arterielle Blut erweitert die abführende Vene. Durch die Haut wird die Dialysenadel eingestochen, jeweils eine für die permanente Entnahme und eine weitere proximal für die Rückführung des Blutes. So sind beste Voraussetzungen geschaffen, den extrakorporalen Kreislauf des Blutes mindestens dreimal die Woche für mindestens jeweils 4 Stunden aufrecht zu erhalten. Die Rollerpumpen der Dialysemaschinen pumpen das Blut mit Geschwindigkeiten von 300 ml/min durch die künstliche Niere. Druckkontrollen und Luftdetektoren sorgen für einen sicheren Behandlungsvorgang. Heparine, Hirudin oder Citrat stellen die Antikoagulation sicher. Keimfreie Leitungen und eine Osmoseanlage sorgen für weiches Wasser, welches mit Konzentrat und Bikarbonat vermischt eine physiologische Dialysierflüssigkeit bildet. Im Gegenstrom treffen sich Blut und Dialysierflüssigkeit, die von der Dialysemembran getrennt sind. Sie befindet sich in einem Hohlfaserdialysator (siehe unten), der eine Vielzahl kapillargroßer Hohlmembranen enthält und Austauschflächen bis 2,2 qm zur Verfügung stellt. Die verwendeten Materialien sind Polysulfon, Polyacrylnitril oder Polymethylmetacrylat, um einige Beispiele zu nennen. Cuprophan in Reinform wird nicht mehr verwendet. In abgewandelter Form als Celluloseacetat ist auch dieses Membranmaterial biokompatibel.











Abbildung: Wandquerschnitt einer Dialysehohlfasermembran


Unter Biokompatibilität ist die Verträglichkeit der Materialien mit dem immunologisch kompetenten Blut zu verstehen. Die Behandlung erfolgt ohne klinische Symptome des Patienten. Es tritt weder ein Sturz der peripher zirkulierenden Leukozyten ein, noch werden Komplement oder Interleukine aktiviert.
Die Behandlungsdauer beträgt mindestens 3 mal pro Woche jeweils 4 Stunden. In einer Behandlungseinheit muss eine Mindestdosis an Giftelimination erfolgen, die durch den Terminus KT/V beschrieben wird. (K: Clearanceleistung, V: Verteilungsvolumen von Harnstoff, T: Behandlungszeit). Die Basis für die Dialysebehandlung ist nun seit einem Jahrzehnt ausgereift. Technische Entwicklungen sorgen auch zukünftig für intelligente Erkennung von Komplikationen, z. B. telemetrischer Datentransfer und schonende Behandlung durch Feedbackmechanismen. Sollten die Geräte klein und handlich werden, so könnte man sich auch eine permanente, ambulante (tragbare) Dialyse vorstellen. Die heutige Dialysebehandlung ist natürlich nur der Ersatz eines Teils der Nierenfunktion. Die Versorgung des Blutes mit Botenstoffen wie Erythropoietin, Vitamin D und Ausgleich des Säure-Basenhaushaltes oder gar der Blutdruckregulation kann heute noch nicht außerhalb des Körpers erfolgen. Die „hochklassige Filtertechnik der Natur“ in Form einer „Bio-Niere“ bleibt deshalb noch Zukunftsvisionen vorbehalten.

Foto: © Prof. Dr. Werner Riegel

Stichwörter:
Dialyse, Nierenersatz

L&M 5 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 5 / 2008.
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