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Entschlüsselung der Genfunktionen

Vollautomatische Kultivierung, Analyse und Sortierung von Zellen

In einem Kooperationsprojekt entwickelten die Fraunhofer-Institute IPA, IPM, FIT und das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) gemeinsam eine automatisierte Anlage zur sys­tematischen Kultivierung und Handhabung von Zellen. „Autranomics“ – Automated Transgenomics unterstützt die ­Erforschung der Proteinfunktion im menschlichen Genom und trägt zu einem besseren Verständnis von komplexen genetischen Erkrankungen wie z. B. Krebs oder Parkinson bei.

Die Entwicklung einer funktionierenden Gentherapie zur Behandlung von Erbkrankheiten oder tumorösen Erkrankungen ist eine der großen medizinischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Auch wenn das menschliche Genom mittlerweile entschlüsselt ist, die Funktionen der durch das Genom kodierten Proteine sind erst in Bruchteilen erforscht. Die Proteinfunktionen regeln die Prozesse innerhalb der Zelle. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis und zur Behandlung von komplexen Erkrankungen mit genetischer Ursache.

Weltweit einmalig

Die systematische Analyse der zugrundeliegenden Proteinfunktionen erfolgt bisher in manuellen, aufwändigen und nicht reproduzierbaren, damit auch nicht verifizierbaren Verfahren. Mit der weltweit einmaligen automatisierten Anlage „Autranomics“ wird eine systematische Analyse möglich. Die am Fraunhofer-Institut für Produk­tionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit dem Fraunhofer IPM und Fraunhofer FIT aufgebaute Anlage erfüllt alle notwendigen Handhabungsschritte für die sensiblen Prozesse der systematischen Kultivierung und Handhabung von Zellen.

Ganzheitlicher Ansatz

Mit dem „Autranomics“-System können Zellen in kurzer Zeit mit fremder Erbinformation (transfizierte Zellen) automatisch kultiviert, überwacht, selektiert und für entsprechende manuelle Versuche vorbereitet werden. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz ist es möglich, einen zuverlässigen und kontaminationsfreien Prozess zur Gewinnung hochqualitativer Zellpools zu gewährleisten. Dieser führt zu reproduzierbaren, standardisierten und qualitativ hochwertigen Ergebnissen für die nachfolgende Analyse der Proteinfunk­tionen. Die systematische Analyse stellt die Grundvoraussetzung zum Verständnis der Entstehung und Behandlung komplexer genetischer Krankheiten dar.

Erfolgreiche Tests

Seit September 2011 steht die Anlage im Labor des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (CBG) in Dresden und wird seitdem von dessen Mitarbeitern betrieben. Im laufenden Forschungs- und Validierungsbetrieb konnten erfolgreiche Tests zur automatischen Kultivierung und Handhabung der Zell­kolonien durchgeführt werden.

Sechsfache Geschwindigkeit

Abb.1 zeigt das am Fraunhofer IPA entwickelte und realisierte „Autranomics“-System. Die Kapazität des Lagerinkubators umfasst 360 Zellkulturgefäße. Bei voller Auslastung (24h/7d) wird ein Hochdurchsatz von 500 Stammzelllinien pro Monat erreicht. Im Vergleich dazu können im manuellen Betrieb lediglich 80 Stammzelllinien pro Monat hergestellt werden. Darüber hinaus kann beim automatischen Prozess hohe Reproduzierbarkeit gewähr­leistet und Kontaminationen ausgeschlossen werden. Die Taktung der Anlage erfolgt über die übergreifende Prozess- und Anlagensteuerung TACS (The Automation Control System), die im Rahmen mehrerer laufender Projekte in der IPA-Abteilung für Laborautomatisierung und Bioproduktionstechnik entwickelt wurde. Dabei wurde ein (quasi) Standard der Modulschnittstellen definiert, der eine einfache automatische Anbindung (plug-and-play) der an das System angeschlossener Geräte über das TCP/IP-Netzwerk-Protokoll ermöglicht.

Marktlücke geschlossen

Derzeit ist kein System auf dem Markt bekannt, das vollautomatisiert eine optische Zellüberwachung, die Vereinzelung und das Aussäen der Zellen im Hochdurchsatz durchführen kann. Mit dem „Autranomics“-System wird eine wichtige Lücke auf dem Markt und im Forschungsumfeld der automatisierten Kultivierung, sterilen Handhabung und Überwachung von Einzelzellen geschlossen. Damit ist ein wesentlicher Meilenstein im Bereich der Zuordnung von Genomsequenz zu den entsprechenden Proteinstrukturen bzw. Proteinfunktionen erreicht: eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung neuer Diagnostika und Therapien. Durch die sterile Handhabung und Reproduzierbarkeit des modularen Systems wird die Proteinsequenzierung deutlich erhöht. Der Anlagenaufbau leistet aufgrund seiner hochgenauen und parallelisierbaren Arbeitsweise auch einen wichtigen Beitrag auf dem Gebiet der Laborautomatisierung. Damit werden in zunehmendem Maße präzise Arbeiten im m-Bereich am biologischen Material automatisiert möglich, die bisher manuell unter mikroskopischen Vorrichtungen durchgeführt wurden. Das Fraunhofer IPA präsentiert sich mit „Autranomics“ als anwendungsorientierte Forschungseinrichtung im wissenschaftlichen Umfeld und etabliert sich im Bereich der Bioproduktion auch als Gerätehersteller.

Foto: © Dipl.-Ing. Alexej Domnich

L&M 3 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2013.
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