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L&M-3-2009 > Mikrobiologische Sicherheitswerkbänke

Mikrobiologische Sicherheitswerkbänke

Eine elementare Schutzeinrichtung

Sicherheitswerkbänke sind in vielen biotechnologischen undpharmazeutischen Laboratorien eine wichtige Schutzeinrichtung.Beim Umgang mit gefährlichen biologischen Arbeitsstoffenresp. Gefahrstoffen gilt es, den Menschen und dieUmwelt mit Sicherheitswerkbänken zu schützen. Andererseitssind aseptische und partikelfreie Produktions- und Experimentierbedingungenebenso von hoher Bedeutung .Die nachfolgende Ausführung stellt den Stand der Technik,die Funktionsweise von Sicherheitswerkbänken sowie wichtigeVarianten für den Einsatz in Reinräumen dar.

Einsatz in biotechnologischen und pharmazeutischen Laboratorien

Einschlägige Vorschriften auf europäischer und nationaler Ebene verpflichten zur Verwendung von Sicherheitswerkbänken. Der Arbeitgeber ist vor Aufnahme der Tätigkeiten dafür verantwortlich, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und erforderliche Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine häufige Sicherheitsmaßnahme ist die Verwendung von Sicherheitswerkbänken (SWB). Für Hersteller und Betreiber von SWB ist im Moment des Inverkehrbringens der Stand der Technik entscheidend. Dieser wird u. a. durch Richtlinien, Gesetze und Normen definiert. Bei der aseptischen Herstellung von toxischen Parenteralia, den sog.CMR1-Arzneimitteln, müssen Sicherheitswerkbänke für Zytostatika(SFZ) zum Einsatz kommen. Beim Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen infektiösen, toxischen oder allergenen Gefährdungspotentials sind mikrobiologische Sicherheitswerkbänke(MSW) der Klasse I, II oder III zu verwenden.

Schutzfunktionen

Die elementarsten Eigenschaften einer SWB sind die Schutzfunktionen in Form des Personen-, Produkt- und Verschleppungsschutzes.Der Personenschutz bzw. das Rückhaltevermögen an der Arbeitsöffnung ist die Eigenschaft einer SWB den Benutzer und die Umwelt vor biologischen Arbeitsstoffen und/oder Gefahrstoffen aus dem Arbeitsraum zu schützen. Der Produktschutz ist die Eigenschaft einer SWB, das im Arbeitsraum verwendete Produkt vor Kontaminationen aus der Umwelt bzw. Umgebung zu schützen. Der Verschleppungsschutz ist die Eigenschaft einer SWB, das im Arbeitsraum verwendete Produkt vor biologischen Arbeitsstoffen und/oder Gefahrstoffen aus dem Arbeitsraum zu schützen.

Strömungsmechanik

Die richtige Kombination von turbulenzarmer Verdrängungsströmung im Arbeitsraum und Lufteintrittsströmung in der Arbeitsöffnung gewährleistet in Verbindung mit der Filtrierung von Partikeln grundsätzlich die Schutzfunktionen. Strömungsmechanisch von hoher Bedeutung ist eine durchdachte Luftführung, d.h. rückströmungsfreie und optimale Abstimmung zwischen der Lufteintritts- und Verdrängungsströmung. Ziel ist eine schnelle und sichere Beseitigung von Kontaminationen, ohne den Menschen, die Umwelt oder das Produkt zu gefährden. Der Hersteller einer SWB muss im Rahmen der Entwicklung die optimalen Strömungsverhältnisse ermitteln. Unter diesen Bedingungen sind die Schutzfunktionen mit der mikrobiologischen Methode beider Typprüfung nachzuweisen. Jede SWB hat bauartbedingt einen eigenen optimalen„Betriebspunkt“. Eine intensive Prüfung der Schutzfunktionen, insbesondere im Grenzbereich, ist äußerst bedeutsam. Die ermittelten Sollströmungsgeschwindigkeiten sind verbindlich in der Dokumentation festzuhalten. Diese sind im Rahmen der Produktion durch den Hersteller sowie regelmäßig im Labor durch den Betreiber zu verifizieren. Ist die kinetische Energie der Verdrängungsströmung wesentlich größer als die der Lufteintrittsströmung, so kann der Personenschutz nicht mehr gewährleistet. Ist dagegen die Lufteintrittsströmung beherrschender, muss der Produktschutz in Frage gestellt werden. Diese Wechselbeziehung ist eine bekannte Tatsache und sollte bei der Entwicklung angemessene Berücksichtigung finden . In den USA ist seit vielen Jahren die Variation der Strömungsverhältnisse, das „Performance Envelope Testing“, normativ vorgeschrieben.

Filtertechnik

Filter in SWB sind das sicherheitsrelevante Bauteil schlecht hin. Die verbauten HEPA2-Filter müssen Kontaminationensicher abscheiden und mindestens der Klasse H 14 entsprechen. Die Filter sind so anzuordnen und zu dimensionieren, dass eine zuverlässige und beständige Funktion gewährleistet ist. Jedes Filterelement ist individuell auf evtl. Leckagen und Dichtsitz zu prüfen. Mit einer durchdachten Anordnung der Filterelemente und Prüföffnunge nmuss eine rohluftseitige Aerosolbeaufschlagung und reinluftseitige Partikelmessung möglich sein. Alle HEPA-Filter, insbesondere die Hauptfilter unterhalb der Arbeitsfläche, sind gegen mechanische Beschädigungenund ungeeignete Belastungen zu sichern. Bei der Verwendung von segmentierten oder perforierten Arbeitsplatten gilt es, verschüttete Flüssigkeiten so aufzufangen, dass diese nicht in den Hauptfilter tropfen können.2- und 3-Filter-Systeme unterscheiden sich in der Anzahl der integrierten HEPA-Filter. Der grundsätzliche Aufbau und die Funktion sind sehr ähnlich. Der wesentliche Unterschied ist die zusätzliche HEPA-Filterstufe, das sog. Hauptfilter, welches sich i. d. R. direkt unterhalb der Arbeitsfläche befindet. Ein hohes Gefährdungspotential fordert nahezu immer den Einsatz von 3-Filter-Systemen. Die Verwendung von 3-Filter-Systemen erhöht die Arbeitssicherheit in Laboratorien immens, insbesondere bei Tätigkeiten mit hohem oder sehr hohem Gefährdungspotential.

Unmittelbare Filtrierung von Kontaminationen

Ein wesentliches Argument für die Verwendung eines 3-Filter-Systems ist das Abscheiden partikelförmiger Kontaminationen direkt unterhalb der Arbeitsfläche. Das wichtigste sicherheitsrelevante Bauteil in Form des HEPA-Hauptfiltersist so nah wie irgend möglich an der potentiellen„Kontaminationsquelle“ – dem Arbeitsraum – angeordnet. D.h. das Ausmaß der kontaminierten Bereiche ist wesentlichgeringer, als bei einem 2-Filter-System . Alle potentiell kontaminierten Bereiche sind für eine Reinigung und Desinfektion zugänglich. Aufwendige und kostenintensive Wechsel der Um- und Abluftfilter können i. d. R. entfallen. In vielen Fällen kann auf die gefährliche Begasungen mit Formaldehyd zur Inaktivierung von biologischen Arbeitsstoffen verzichtet werden. Das HEPA-Hauptfilter scheidet mindestens 99,995 % aller Partikel ab und somit werden die nachfolgenden Filter regelrecht unter partikelfreien Bedingungen betrieben.
DIN EN 12469 weist darauf hin, dass Luftkanäle, die kontaminierte Luft führen, so kurz wie möglich sein müssen[49]. Eine Anforderung, die nur beim Einsatz eines 3-Filter-Systems mit einer HEPA-Filterstufe direkt unterhalb der Arbeitsflächekonsequent umgesetzt werden kann.

Kontaminationsarmer Filterwechsel

Die Hauptfilterstufe ist Idealerweise kontaminationsarm zuwechseln. Ein kontaminationsarmer Filterwechsel ist definiert als eine segmentierte HEPA-Filterstufe, welche im laufenden Betrieb und somit beim Bestand des Personenschutzesgewechselt werden kann. Eine Alternative ist das in der Kerntechnik etablierte Oelmeyer-Verfahren, besser bekannt als „Sack-Wechsel-Technik“. Entscheidend ist, neben einem sicheren Wechsel, am Ende die Baugröße der einzelnen Filterelemente. In SWB kontaminierte Um- und Abluftfilter sind i. d. R. für einen sicheren Wechsel, Transport und anschließende Dekontamination völlig ungeeignet. Erfahrungsgemäß sind solche Filter bis zu 1,8 x 0,6 Meter groß. Neu entwickelte segmentierte Umluftfilter stellen hier eine echte Alternative dar. Die zu inaktivierenden Filterelemente aus einer HEPA-Hauptfilterstufe dürfen eine bestimmte Größe, gem. der Definition des kontaminationsarmen Filterwechsels, nicht überschreiten. Explizit ist aber keine maximale Größe festgelegt. Die Bestimmung, dass die Filterelemente in übliche Abfallentsorgungsbehälter (i. d. R.60 bzw. 90 Liter Volumen) passen müssen, hilft hier. Ein segmentiertes Hauptfilter besteht bei herkömmlichen Systemen aus bis zu 18 Keilfiltern oder bei innovativeren aus bis zu 9 kompakten Patronenfiltern. Prinzipiell gilt: je kleiner das Filterelement, desto besser. Die beschriebenenHEPA-Patronenfilter passen für eine thermische und/oderchemische Dekontamination in viele kleine Laborautoklaven, Desinfektions- und Abfallentsorgungsbehälter.

Ergonomie

Die ergonomische Gestaltung vom „Mensch-Maschine-System“ist präventiver Arbeitsschutz. Oberstes Ziel ist es, das Wohlbefinden des Menschen und die Leistung des Gesamtsystems zu optimieren. Für Maschinenarbeitsplätze sind bereits umfangreiche anthropometrische Anforderungen vorhanden, welche im Rahmen der Konstruktion einer SWB zu berücksichtigen sind. Elementar ist die Anpassung der SWB an verschiedene Körpergrößen und -haltungen. Speziell SWB mit 3-Filter-System müssen ausreichend Beinfreiheit bieten um verschiedene Sitzpositionen einnehmen zu können. Ein höhverstellbares Untergestell der SWB ermöglicht nicht nur den Wechsel zwischen sitzender und stehender Arbeitsposition, sondern auch die Anpassung an verschiedene Körpergrößen.

EDV-gestütztes Arbeiten

Viele Anwender von SFZ arbeiten heute mit EDV gestützten Systemen (z.B. Cypro, cato®), um den Arzneimittelherstellungsprozesssicher zu gestalten. Alle notwendigen Komponenten, wie etwa Bildschirm, Schnittstelle(n), Kabel, PC, ggf. Waage und Tastatur sind so zu integrieren, dass die sichere Funktion der SWB gewährleistet ist. Wichtige Informationen sollten im Bereich des Blickfeldes vorhanden, Tasterturen, Waage und Schnittstellen leicht erreichbar sein.

Prüfung

Nur eine regelmäßig geprüfte SWB bietet optimale Funktion und Schutz. Die durchzuführenden Prüfungen liegen je nach Prüfungsart in der Verantwortung des Herstellers oder Betreibers. Grundlage der Leistungsprüfungen ist der Stand der Technik, d. h. DIN 12980, DIN EN 12469 und detaillierte Herstellerangaben (technische Dokumentation etc.).Arbeitsschutzgeräte sind regelmäßig einer Leistungsprüfung zu unterziehen, d. h. mindestens jährlich. Bei einem erhöhten Gefährdungspotential, gem. Gefährdungsbeurteilung bzw. spezifischen Herstellerempfehlungen, in entsprechendkürzeren Intervallen. Die Prüfungen sind unter Sollwertbedingungen bzgl. Der einzuhaltenden Strömungsgeschwindigkeiten mit kalibrierten Messmitteln durchzuführen. Alle verwendeten Messmittel sind eindeutig im Prüfprotokoll zu dokumentieren. Es ist sicherzustellen, dass die Prüfung durch Personen mit der notwendigen Fachkunde, d. h. autorisierte Servicetechniker, erfolgt. Alle durchgeführten Prüfungen sind reproduzierbar in einem Prüfprotokoll und im Gerätebuch zu dokumentieren.

Reinraum

Im Arbeitsraum einer SWB ist i. d. R. die Reinheitsklasse A resp.ISO 5 vorhanden. Dies ist insbesondere für die aseptische Arzneimittelherstellung elementar. Inhaber einer Herstellungserlaubnis nach §13 AMG müssen über geeignete Räume und Einrichtungen für die beabsichtigte Herstellung verfügen. SWB, die zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden und für die Arzneimittelqualität von entscheidender Bedeutung sind, müssen auf ihre Eignung geprüft werden. Dies geschieht durch Qualifizierung und Validierung. Mit einer Risikoanalyse und anschließender Bewertung gilt es den Validierungsumfang festzulegen. Die Dokumentation hat im Rahmen der GMP3-gerechtenHerstellung von Arzneimitteln eine sehr hohen Stellenwert. Alle relevanten Daten und Informationen sind gem. EGGMP- Leitfaden Anhang 15 umfassend und reproduzierbar zu dokumentieren:

-Validierungsmasterplan (VMP)
-Design Qualification (DQ)
-Installation Qualification (IQ)
-Operational Qualification (OQ)
-Performance Qualification (PQ)

Hierzu zählen z.B. die Bestimmung der Partikelreinheitsklasse im Arbeitsraum und die mikrobiologische Untersuchungen von Oberflächen und Zonen bis zum kontinuierlichem Partikelmonitoring im Arbeitsraum. Moderne SWB bieten hierfür die Möglichkeit zum Anschluss einer mobilen bzw. festen isokinetischen Probenahmesonde im Arbeitsraum. Die Laminarität der Verdrängungsströmung in Reinraum der Klasse „A“ ist durch validierte Methodennachzuweisen. Alle technischen Parameter und Bedingungen der Arzneimittelherstellung sollten kontinuierlich dokumentiert werden. Moderne Software Systeme, wie die BFM – BERNERFlowSafe Monitoring Software, gewährleisten die vollständige Überwachung, Visualisierung und Archivierung aller relevanten Daten von SWB. Hierzu gehören z.B. Strömungsgeschwindigkeiten, Temperatur und Feuchte, Filterstatus, durchgeführte Servicearbeiten, detaillierte Fehlerprotokolle sowie das Überschreiten individuell gesetzter Warn- und Grenzwerte. Für eine lückenlose Dokumentation des gesamten Herstellungsprozesses in SWB.

t.hinrichs@berner-international.de

Foto: © Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs

Lesen Sie hier noch weitere Beiträge von Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs:
http://www.laborundmore.de/research/1445

Stichwörter:
Sicherheitswerkbänke zytostatika Mikrobiologie

L&M 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 3 / 2009.
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