Motorproteine zur Wirkstoffentwicklung
Motorproteine zur WirkstoffentwicklungMoleklare Motoren als moderne WerkzeugeAktive Bewegungsprozesse sind von zentraler Bedeutung für die Funktion unserer Körperzellen. Sogenannte Motorproteine wie Myosin, Kinesin und Dynein sorgen dabei für den zeitlich und örtlich exakt definierten intrazellulären Transport von Vesikeln und Organellen auf den filamentösen Aktin- und Mikrotubulibahnen des Zytoskeletts. Motorproteine vermitteln dabei wichtige Prozesse wie die Zellteilung und die Bewegung von Zellen während der Embryogenese, bei der Wundheilung sowie in Prozessen der Immunabwehr. Muskelarbeit ist schließlich das anschauliche Ergebnis des koordinierten Zusammenspiels von Myosin- und Aktinfilamenten. Jüngste Fortschritte in der Strukturaufklärung und im Protein-Engineering rücken Motorproteine nun ins Zentrum des Interesses bei der Entwicklung neuer Therapieansätze. 39 Myosin-Typen sorgen im Menschen für Bewegung Die Myosine gehören zu einer außerordentlich großen Familie von molekularen Motoren, die Kraft und Bewegung entlang von polaren Aktinfilamenten in der Zelle erzeugen. Myosine sind modulare Motorproteine, die aus drei Domänen mit jeweils spezifischer Funktion bestehen: Über die etwa acht Nanometer große N-terminale, globuläre Motordomäne findet die zyklische Wechselwirkung mit Aktin und ATP statt, die für einzelne Myosine unterschiedlich ist. Die Halsregion von Myosin funktioniert in vielen Myosinen als Kraft übertragender Hebelarm und beinhaltet Bindungsstellen für Calmodulin oder Calmodulin-ähnliche Proteine, die regulatorische und stabilisatorische Funktionen haben. Die anschließende C-terminale Schwanzregion dient in manchen Myosinen zur Dimerisierung. Sie zeigt die stärkste Vielfalt und die für die einzelnen Myosin-Typen charakteristischen Unterschiede in der zellulären Funktion. In unseren Körperzellen hat man 39 verschiedene Gene gefunden, die Proteine mit einer Myosinmotordomäne kodieren. Die entsprechenden Genprodukte nehmen hoch spezialisierte Funktionen war. Man findet entsprechend eine unterschiedliche Verteilung verschiedener Isoformen von Myosin-2 in schnellen Skelettmuskeln, im Herzmuskel oder der glatten Muskulatur der Blutgefäße. Weitere Isoformen von Myosin-2 sind von besonderer Bedeutung für die Zellteilung. Andere Mitglieder der Myosinfamilie haben spezifische Aufgaben beim Transport von Organellen, der Aufnahme von Nährstoffen durch Endozytose, der Abwehr von Bakterien durch Phagozytose, oder der Weiterleitung von chemischen, akustischen oder optischen Reizen. Die hydrolytische Spaltung des zellulären Energieträgers Adenosintriphosphats (ATP) liefert die Energie für einen Kraftschlag von etwa 3 bis 5 picoNewton (pN). Abhängig von der Myosinisoform bewegt sich der Motor pro Kraftschlag 5 bis 36 nm entlang des Aktinfilaments. Die zyklischen chemischen und mechanischen Veränderungen, die zur Kraftentstehung führen, sind in Abb. 1 schematisch dargestellt. Myosin-Dysfunktionen lösen Krankheiten aus
Mutationen in Myosin-Genen können zum Verlust der Motilität und infolge hiervon zu Krankheiten führen. Mutationen des kardialen Myosin-2 sind mit Kardiomyopathien und akutem Herzversagen assoziiert. Patienten, die am Griscelli-Syndrom leiden, besitzen ein dysfunktionales Myosin-5. Diese Dysfunktion führt zu einem gestörten Pigmenttransport und äußert sich in einem partiellen Albinismus und in weiteren Symptomen. Ein weiteres Beispiel sind Mutationen im Myosin-7A-Gen, die sich morphologisch auf die Haarzellen des Innenohrs und den Opsin-Transport in den Cilien der Fotorezeptoren auswirken. Mutationen von Myosin-7A führen zum Usher-1B-Syndrom, das mit einem Verlust des Hörvermögens sowie Blindheit einhergeht. Auch eine gesteigerte Myosin-assoziierte Beweglichkeit kann die Ursache von Erkrankungen sein. Das Erlangen der Fähigkeit zu ungeregelter aktiver Bewegung über die Grenzen von Zellverbänden hinaus ist eine Schlüsseleigenschaft von Tumorzellen mit invasivem Phänotyp. So treten in aggressiven Tumorformen verstärkt die nichtmuskulären Myosin-2A und -2B Isoformen auf. Prostatische intraepitheliale Neoplasie (PIN), die häufig mit dem Prostatakarzinom (PCA) assoziiert ist, geht mit einer Überproduktion von Myosin-6 einher. Stark erhöhte Mengen an Myosin-18B werden bei Karzinosen der Pleura beobachtet. Parasiten des Menschen haben während ihrer Evolution ganz eigene Myosinformen hervorgebracht, die wiederum wichtig sind für Virulenz und Infektionsmechanismus. So nutzt der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum die Kraftentfaltung von Myosin-14, um in die menschlichen Blut- und Leberzellen einzudringen. Motorproteine mit veränderten/ maßgeschneiderten Eigenschaften durch gezieltes Protein-Engineering Der modulare Aufbau von Myosinen bietet die Möglichkeit durch gezielte Modifikation von speziellen Domänen oder den Austausch von funktionalen Untereinheiten, künstliche Motoren zu entwickeln, die spezifisch veränderte Eigenschaften besitzen. Durch diesen Protein-Engineering-Ansatz konnten wir Myosinmotoren mit veränderten mechano-chemischen Eigenschaften darstellen. So konnten wir die Schrittgröße pro umgesetztes Molekül ATP, die Geschwindigkeit und die Kraftentwicklung des Motors gezielt verändern [1,2]. Zudem konnten wir eine Umkehr der Bewegungsrichtung durch den Einbau geeigneter Domänen am Übergang zwischen Motordomäne und Hebelarm erreichen (Abb. 2) [3]. Durch Mutationen in den Oberflächenregionen der Motordomäne konnten wir die katalytische Effizienz und die Kopplung zwischen den funktionellen Regionen im Myosinmotor gezielt erhöhen [4]. In weiteren Beispielen ist es uns gelungen, durch gezieltes Protein-Engineering die thermische Stabilität der Motorproteine zu erhöhen, für den gezielten Transport von Cargomolekülen vorzubereiten und damit ihren Einsatz im Kontext von Lab-on-Chip-Systemen zu ermöglichen. Die rekombinanten Myosinmotoren können dort gezielt Transportprozesse vermitteln, indem sie Makromoleküle und Vesikel selektiv transportieren. Komplexe Assemblierungs- und Sortierungsprozesse werden damit auf kleinstem Raum möglich. Rationales Wirkstoffdesign von Myosin-Effektoren
Für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze sind die Entdeckung neuer Wirkstoffe und die Aufklärung ihres jeweiligen Bindungsmodus von besonderer Bedeutung. Ausgehend von der Entdeckung einer neuen Klasse von allosterischen Myosininhibitoren ist es uns gelungen, die Bindungsstelle für mehrere Wirkstoffe im molekularen Detail aufzuklären. Die genaue Bindungsgeometrie konnte für die einzelnen Wirkstoffe mithilfe der Röntgenstrukturanalyse bestimmt werden. Die Mehrzahl der Substanzen bindet ähnlich wie Pentabromopseudilin in einer bislang unbekannten Bindungstasche, die ca. 16 Å von der ATP-Bindungsstelle entfernt liegt (Abb. 3) [5]. Diese allosterische Bindungstasche ist Teil einer großen „Spalte“ in der Myosinmotordomäne, die selbst wesentlich größeren Molekülen ungehinderten Zugang erlaubt. Die Bindungstasche weist deutliche strukturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Myosinisoformen auf. Diese Eigenschaften der Bindungstasche ermöglichen die Optimierung der Leitstrukturen mittels computergestützten Designs. Hierbei ist es unser Ziel, Substanzen mit erhöhter Affinität, Selektivität und Wirksamkeit für therapeutische Zwecke darzustellen. Ähnlich wie beim Einsatz von Proteinkinasehemmstoffen kann dieses Ziel nicht mithilfe kompetitiv wirkender Substanzen erreicht werden. Die Unterschiede zwischen den aktiven Zentren verschiedener Myosine sind hierfür zu gering. Darüber hinaus sind auch die Unterschiede zu den aktiven Zentren von anderen Motorproteinen aber auch Kinasen und G-Proteinen schwach ausgeprägt.
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