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Fraunhofer IPA forscht zum Schutz der Erde vor planetarischen Verschmutzungen

Fraunhofer IPA forscht zum Schutz der Erde vor planetarischen Verschmutzungen

ReinRaumfahrt für die ESA

Wer Proben auf einem fernen Planeten nehmen will, muss ganz besondere Reinheitsmaßnahmen treffen, sonst läuft er Gefahr, dass er das, was er zu entdecken glaubt, von der Erde mitgebracht hat. Zum Schutz vor derartigen planetarischen Verschmutzungen der Erde entwickelten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automati sierung IPA in Stuttgart ein innovatives Bewertungs system für die Reinheitstechnik. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf andere reinheitskritische Industrien wie die Halbleiter industrie, die pharmazeutische Industrie, die Medizintechnik oder die Automobilindustrie übertragen.

Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und Leistung von Satelliten und Raumfahrzeugen werden durch die extrem belastenden Weltraumbedingungen auf eine harte Probe gestellt. Deshalb sind schon bei der Auswahl von Material, Konstruktion und nicht zuletzt bei der Fertigung reinheitstechnische Gesichtspunkte zu beachten. Äußerst ambitionierte Reinheitsanfor derungen stellen dabei „SearchforLifeMissionen“. Diese Weltraumerkundungsprojekte suchen nach extraterrestrischen Lebensformen und für sie gilt in besonderem Maß das international rati fiziert „PlanetaryProtectionProgramm“: Danach müssen sie ein breites Kontaminationsspektrum beherrschen – angefangen bei Mikroorganismen über filmische Verunreinigungen bis hin zu kleinsten parti kulären Kontaminationen. Dies kann nur mithilfe hochangepasster Reinheitstechnikmaßnahmen gelingen. Ein prototypisches Beispiel ist die ExoMarsMission der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Reinheitskonzept für die Mars-Mission

Aufgrund der spezifischen reinheits t echnischen Fragestellungen initiierte die ESA 2008 eine Zusammenarbeit mit der Ab teilung Reinstund Mikroproduktion des Fraunhofer IPA. Die Forscher am IPA entwickelten ein innovatives und effektives Reinheitskonzept für ExoMarsFlighthardwareKomponenten, das auch auf andere Anwendungen mit höchsten Reinheitsanforderungen übertragbar ist. Das Reinheitskonzept umfasst eine reine Fertigungs umgebung,Ultrapräzisionsreinigungsverfahren, Reinheitsvalidierung sowie ein reines Logistikund Verpackungskonzept.

Bewertung und Auswahl hochpräziser Verfahren

Ausgehend von der Notwendigkeit, Raumfahrzeugkomponenten für ihren Einsatz auf einen hochreinen Endzustand zu bringen, suchten die Reinraumspezialisten zunächst nach geeigneten Reinigungsverfahren. Dazu müssen unterschiedliche Reinigungstechnologien nach einem standardisierten Bewertungssystem objektiv und vergleichend beurteilt werden können. Weil ein solches System bisher fehlte, musste das Team der Abteilung Reinstund Mikroproduktion im Rahmen des Projekts einen spezifischen Raumfahrtansatz entwickeln. Dazu wurden Bewertungskriterien festgelegt, die mit einer definierten Methodik und dazu passender Analytik quantitativ bestimmt wurden, um größtmögliche Objektivität zu erlangen. Um die hier geforderte sehr hohe Reinheit zu erzielen und zu messen, kamen die Referenzreinräume der ISOKlasse 1 des Fraunhofer IPA und die hier installierten Messtechniken zum Einsatz: ein vollautomatisiertes FeldemissionsRasterelektronenmikroskop (FESEM) für die Partikeldetektion und ThermodesorptionsGaschromotografie mit Massenspektrometriekopplung (TDGC/ MS) für den Ultraspurennachweis von organischen Verunreinigungen.

Partikelhaftkraft ist die entscheidende Größe

Speziell bei biologischen Kontaminationen sollten die Mikroorganismen nicht nur abgetötet werden, vielmehr sollte eine komplette Entfernung der Mikroorganismen von der Oberfläche erfolgen. Deshalb wurde die klassische Bebrütung der Proben für die Bestimmung des Kontaminationszustands um eine völlig neuartige Übertragung der partikulären Reinigungsergebnisse durch Messung der Partikelhaftkraft erweitert. Ansatz dieser Entwicklung war die Annahme, dass die Partikelhaftkraft die entscheidende Größe zur Beurteilung der Abreinigbarkeit eines Partikels, also auch von Mikroorganismen, ist. Die dazu durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Partikelhaftkraftmessung mit dem Rasterelektronenmikroskop möglich ist und die ermittelten Reinigungseffizienzen mit den Haftkraftergebnissen schnell auf andere partikuläre Kontaminationen, auch Mikroorganismen, übertragen werden können.

Einsatz innovativer Reinraumtechnik

Nach erster Selektion der präferierten Reinigungstechnologien, die auf Grundlage einer umfassenden Studie ermittelt wurden, fand schließlich eine finale Auswahl der für die Raumfahrt geeignetsten Verfahren mithilfe des Bewertungssystems statt. Das ausgewählte Reinigungskonzept, bestehend aus Vor, Hauptund Endreinigung, wurde in eine adäquate Fertigungsumgebung bei der ESA integriert. Im niederländischen Noordwijk in den Forschungslaboren des Europäischen Weltraumforschungsund Technologiezentrums (ESTEC) wurde dazu ein für diese Belange optimierter Reinraum unter Leitung des Fraunhofer IPA gebaut. Er vereint die höchsten Anforderungen aus der Halbleiterindustrie (Kontrolle partikulärer, molekularer und elektrostatischer Kontaminationen) mit den hohen Standards der pharmazeutischen Industrie (Kontrolle mikrobiologischer Kontaminationen). Dies wurde durch den Einsatz innovativer Reinraumtechnik und optimierter Logistik, Materialund Personalflüsse möglich. Von der Reinigung, z. B. mit dem am Fraunhofer IPA optimierten CO2Schneestrahlverfahren, über die sauberkeitsgerechte Montage bis hin zur Reinheitsvalidierung und Verpackung können alle Prozessschritte in diesem Reinraum durchgeführt werden.

Ergebnisse für andere Industrien nutzbar

Die entwickelten Verfahren zur Reinheitsvalidierung bieten einen enormen Zugewinn an Sicherheit und Zuverlässigkeit in Bezug auf Kontaminationen für die Raumfahrtindustrie. Auf Initiative der ESA werden die im Projekt erarbeiteten Erkenntnisse in eine allgemein gültige Norm zur Produktund Qualitätssicherung der Europäische Kooperation für Raumfahrtnormung (ECSS) überführt. Durch die Normung der Ergebnisse und die hohe Akzeptanz der ECSS findet automatisch ein Transfer in andere Bereiche statt. So lassen sich die Erkenntnisse auf reinheitskritische Industrien wie die Halbleiterindustrie, Medizintechnik oder Automobilindustrie über t ragen und nutzbar machen.

Foto: © NASA

L&M 1 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe L&M 1 / 2013.
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